Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. Januar (Jahrgang 11, nr. 3054-3080)

1884-01-14 / nr. 3065

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Goldberger, Frankfurt a. M. Injertionspreis. Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile hostet beim einmaligen Einladen 7 ff., das zweitemal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 fr. , 3065. Xl. Jahrgang. 1884, G. L. Daube , C. mmnnn Das Deutschtum in Angern. Unter vorstehender Weberschrift bringt die „Deutsche Wochenschrift“ einen Artikel aus der Feder des Reichstagsabgeordneten Steinader, dessen strenge Objektivität und Mäßigung auch magyarischerseits nicht wohl wird bestritten werden künmen. Wir sind in der Lage, den Artikel ohne die den Charakter desselben an manchen Stellen beeinträchtigenden redaktionellen Kürzungen, die er in der „Deutschen Wochenschrift” erfahren, im folgenden mitteilen zu können. Die Lage des Deutschtums in Ungarn ist segter Zeit vielfach in Leidenschaftlicher Weise erörtert worden und die widerspruchvollsten Darstel­­­lungen haben um die Palme der Glaubwürdigkeit gerungen. Auf der einen Seite ist vielleicht zu viel generalisiert, auf der anderen noch weit darü­ber in Beschönigung geleistet worden. Wer zu einem vollständig objek­­­tiven­ Urteile gelangen und daraus richtige Folgerungen ableiten will, muß sich zunächst klare Rechenschaft über die Thatsache ablegen, daß die Sachsen in Siebenbürgen und die übrigen Deutschen in Ungarn mit ganz verschie­­­denen Maßstäben gemessen, als wesentlich von­­einander abweichende Faktoren betrachtet werden müssen. Der in der „Deutschen Wochenschrift“ gegen die Wiener Journalistis erhobene Vorwurf, daß sie wenigstens im ganzen und großen dem uner­­­müdlichen Kampfe der Sachsen gegen den Magyarismus sträflich_ Tahl gegenüber stehen, dürfte wohl dahin erweitert werden künnen, daß die deutsch-österreichische Treffe seit der Aufrichtung des Dualismus die nationale Existenz der nicht in Siebenbürgen wohnenden, die Sachsen sieben- bis ach­tfach an Zahl übertreffenden ungarländischen Deutschen so gut wie voll­­­ständig ignoriert hat, und somit nicht ohne Schuld ist an der Loderung von Beziehungen, die auf beiden Seiten der Leitha eifriger Pflege wü­rdig gewesen wären. Allerdings hat es das Deutschtum im engern Ungarland seit dem Bestande des Dualismus sehr wenig bemerkbar und noch weniger geltend gemacht. In den vormärzlichen Zeiten mochte das privilegierte Bürgertum in den größtenteils von Deutschen bewohnten Städten, ferner der aus kameralischen Gütern seit der Vertreibung der Türken angesiedelte freie Bauern stand vom Wiener Hofe als Gegengewicht gegen den Komitatsadel, die damalige ausschließlich berechtigte politische Nation, betrachtet werden, und­ aus dem unläugbare I­­nteressengegenlage zwischen den beiden öfteren und dem leßteren sind auch in dem dreißiger und vierziger Jahren mancherlei Neigungen entstanden, die durch die Sprachverschiedenheit verschärft und durch die auch damals hervortretenden Magyarisierungsbestrebungen noch gesteigert worden sind: allein im großen und ganzen sind sie Deutschtum und Magyarentum auch­ damals freundlich gegenüber gestanden. Der materielle Wohlstand, den der betriebsame deutsche Gewerbsmann, Kaufmann und Bergmann ebenso wie der fleißige deutsche Bauer in dem kaum nennenswert besteuerten Königreich Ungarn genoß, während die übrigen Kronländer schon damals eine ganz andere Höhe der Steuern fannten, befestigte die warme Anhänglichkeit des Deutschen an das Land, in dem er Bürger geworden. Und als der ungarische Reichstag gegenüber dem freiheitsfeindlichen Metternich’schen Regime fortschrittliche moderne Prinzipien proklamierte und in den 1848er, formell noch so mangelhaften Gelegen zum Teile auch­ bethätigte, wurde das politische Einvernehmen zwischen Deutschungarn und Magyaren besiegelt. Erstere hielten eine Bedrohung oder Beeinträchtigung ihrer Sprache für undenkbar, septere waren, zum Teil wenigstens, von solcher Absicht nicht erfüllt. An dem Kampfe der Jahre 18489 beteiligte sie das deutsche Element in ganz hervorragender Weise, ganz gewis nicht weniger als das magyarische. Der Bach’sche Absolutismus hat groß oder­­­­­­ vielmehr wegen seiner Germanisierungsbestrebungen, die mit der Nieder­­­drückung politischer und geistiger Freiheit Hand in Hand gingen, dem Deutschtum in Ungarn wesentlich geichhrtet, beziehungsweise die Entwicklung deutschen Bewußtseins hintangehalten.­ Die ungarländischen Deutschen iden­­­tifizierten sich in dieser Zeit der Unterbrückung immer mehr mit ihren magyarischen Landesgenossen in einem gemeinsamen politischen National­­­bewußtsein und waren vielfach geneigt, als Symbol desselber die magyarische Sprache zu akzeptieren. So unfängbar auch die­­­ Verdienste sind, welche sich die österreichische Herrschaft von 1850 bis 1867 um die Hebung und Modernisierung des Unterrichtswesens im engem Ungarn, allerdings nicht ohne mannigfache Bedrohung der konfesionellen, speziell protestantischen Lehranstalten, erworben, so hat die nicht von innen heraus entwickelte, sondern von oben aufgezwungene Ford­erung der deutschen Sprache den politischen Widerspruch herausgefordert und zur Folge gehabt, daß nach dem im Jahre 1867 eingetretenen Umschwunge auch zahlreiche deutsche Bevölkerungen sich widerstandslos mit der Abschaffung der deutschen Unterrichtssprache über­­­rumpeln ließen, obwohl das Nationalitätengeseß die Beibehaltung derselben geießlich zulieh. Während der dem Ausgleich vorangegangenen Verfassungs- Fimpfe hatte überdies das Magyarentum die übrigen Nationalitäten des Landes durch die weitgehendsten Zusicherungen nationaler Toleranz an seine politische Fahne zu knüpfen versucht. Unter anderem hatten die von Baron Fojes Eötvös, Ludwig Mocsary und anderen politischen Wortführern litterarisch verfochtenen Prinzipien eine nahezu vollkommene nationale Gleichberechtigung als zweifellose Folge der angestrebten politischen Selbst­­­ständigkeit darzustellen gesucht und zum Teil sogar unter Slawen und Rumänen, allgemein aber unter den ungarländischen Deutschen, immer mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen, Glauben gefunden. Erschien es doch nur natürlich, daß die Erfahrungen der Revolution­, die ja schon während derselben den Szegediner Reichstag zur Brokfamierung der vollen nationalen Streichberechtigung bestimmt hatten, und daß namentlich die vergeblichen und nur zu nationalen Reaktionen führenden Germanisierungsversuche Kosers II. und des Bach’schen Systems nit an dem Magyarentum vor­­­übergegangen sein künnten, ohne ihm beherzigenswerte Lehren zu hinterlassen. Der von Franz Denk, dem Verteidiger des Historischen Rechtes, durch­­­geführte 1867er Ausgleich brachte die den nichtmagyarischen Bewohnern Ungarns vorbehaltenen Enttäuschungen nur allmälig. Waren auch die im Nationalitätengefege von Jahre 1868 fulminierenden Maßnahmen des Mini­­­steriums Andraffy, worin insbesondere Kultusminister Sofef Eötvös Die nationale Toleranz und Justizminister Balthasar Horvath den demokratischen Fortschritt vertraten, nicht als vollgültige Einlösung der in den Zeiten der Not gegebenen Versprechungen zu betrachten, so mochten sie immerhin als Beweise eines guten Willens der herrschenden Partei, oder wenigstens der Regierung gelten. War auch als Bodenfab früherer nationaler Zwistig­­­keiten ein gewisses Mißtrauen zwischen der „herrschenden“ Waffe (ein Be­­­griff, der sehr rasch feste Konsistenz gewann) und der romänischen und Havischen Bevölkerung aufrecht geblieben, um nur allzubald an Intensität zuzunehmen, so war das Einvernehmen zwischen Deutschungarn und Magyaren ein nahezu vollkommenes. Gründe sehr materieller Art zogen dann die gebildeten Elemente deutscher Zunge tief in das magyarische Interesse. Schon im Jahre 1861, als die Verwaltung Ungarns wenigstens zum Teile ihres angeblich deutschen (vornehmlich aber durch Tschechen und Salizianer personifizierten) Charakters entkleidet wurde und die Komitatswirt­­­schaft wieder von den Toten auferstand, füllten sich die reorganisierten Rem­ter mit Deutschungarn, da sich das magyarische Element nach der Re­­­volution grollend vom öffentlichen Dienste zurücgezogen hatte, und deshalb nicht die nötge Anzahl genügend befähigter Aspiranten zu liefern im­­stande war. Im noch weit höherem Grade war Not an Mann, als mit dem Jahre 1867 nach Möglichkeit alle österreichischen Beamten entfernt wurden und neben der großen Zahl unbrauchbarer Protestionskinder, welche der so lange vom Resige der Macht fern gehaltene und nun doppelhungrige kleine Adel als Belohnung seines Patriotismus verfolgt sehen wollte, denn doch auch arbeitsfähige und geschulte Kräfte die lebhafteste Nachfrage fanden. Solche waren in weitaus reichstem Ausmaße unter den Staatsbürgern deutscher Zunge zu finden. Ministerien und alle Behörden wurden dem­­zufolge von deutschen Bewohnern der west-, nord- und jildunge­­­rischen Komitate während der ersten Jahre nach dem Ausgleiche in reichem Ausmaße offupiert und sehr viele unter ihnen machten glänzende Carrieren. Die magyarische Amtssprache trat immer mehr in ihre Rechte, und die meisten derjenigen, denen sich der ungarische Staatsgedanke per­ fönlich so vorteilhaft erwiesen, hielten sich samt ihren näheren und ent­­­fernteren Angehörigen für dankbarkichit verpflichtet, und fanden es auch in ihrem weitern Interesse, sich der herrschenden Nation möglichst eng anzu­­schließen, auch pradhlich sich dem Meagyarentume zu afsimilieren und ihre deutsche Abstammung wenigf­tens nach Außen hin möglichst wenig durch­­­schimmern zu lassen. In diesen Beamtenkreisen griff auch zuerst die Namens­­­magyarisierung um sich, und aus den Reihen solcher Verlängner ihrer Ab­­­stammung rekrutierten sich dann, als nach und nach der Hauvinistische Wind schärfer zu blasen begann, die eifrigsten Magyarisatoren und unerbittlichsten Deutschentreffer und Rangermanenriecher. (Schluß folgt.) Politische Uebensicht. Hermannstadt, 13. Januar Im Frontischen Landtage ist, wie gemeldet worden, die Indem­­­nitätsvorlage angenommen worden, man fühnte also auch gewisser­­­maßen die Berichte über die bezüglichen Verhandlungen als sorperiert be­­­trachten, wenn es nicht ein gewisses Interesse böte, weiter den Kroatischen Parlamentarismus von der Seite seines urwüchsigen Naturburschentums kennen zu lernen. Da geben denn die Situngen vom 10. und 11.d.M. reichliches Material. Nicht alles, aber doch einiges, versuchen wir in Nach­­­stehendem unsern Lesern zu bieten. Der erste Sprecher in der ‚eibung vom 10. d. war der Abg. Pavlovic. Der Majorität warf er vor, daß sie seine Vaterlandsliebe habe, seinen freien Willen besiße, sie thue alles nur auf Befehl des ungarischen M­inisterpräsidenten. Die Negierung habe Beamte, die nur zum Schweinehüten fähig seien. (Kamenar ruft: Nicht einmal dazu!) Nedner (fortfahrend). Dann gehören sie in jenes Gebäude, das man in der Nähe von Agram aufführen ließ (Narrenhaus), sind aber diese Leute Kortesche, dann dürfen sie alles t­un, selbst stehlen. Das, was Pavlovic gesagt hatte, bildete nur die Einleitung; das Hauptstück besorgte Pr. Starcejevic. Er begann seine Rede mit der Vorlesung eines Briefes, den ihm ein magyarischer Advokat anläßlich seiner Ansich­erung gegeben hat: „In einem Lande, wo die Diebe, Betrüger, Landesverräter und Banditen ihrem Chef Deaf Monu­­­mente errichten, finde ich es sehr natürlich, daß die ehrlichen Oppo­­­sitions-Mitglieder verurteilt werden, wenn sie die Majoritäts-Mitglieder mit ihrem wahren, unwohlverdienten Namen nennen.“ — Präsident: Dies gehört nicht zur Sache. — Starejevic: Das hat mir ja ein Ma­­­gyar geschrieben. — Der Präsident gestattet nicht die weitere Verlesung, worauf Starejevic fortfährt: Wozu die Indemnität, nachdem ja doch die Beamten ihre Gehalte bekommen, während das Bos ü­ber die Steuer-Ere­­­mitionen jammert? Redner will aus einer Broschüre Stellen vorlesen, was der Präsident wieder nicht gestattet. Starejevic fährt trogdem fort, vorzulesen, seine Anhänger versammeln sich um ihn und schreien: „Lesen lassen” ; der Präsident verbietet das Lesen, ein allgemeiner Tumult entsteht, a­­bere Bis zur Weige. Roman von Emile Richebourg. Autorisierte Bearbeitung von Mar­­in­ Weißenthurn. (11. Fortsetung.) Kr Toulouse, der alten Schöffenstadt, war man nicht weniger be­­­unruhigt als anderwärts, man prophezeite den vollständigen Ruin Frankreichs; das Gespenst von einst, das Jahr 1793, stand Allen vor der Seele. Man sah schon, wie die Kirchen gesperrt,„der Adel und die Geistlichkeit verfolgt, allü­berall die blutige Guillotine aufgestelt werden “w­ürde. Ein großer Teil der aristokratischen Bevölkerung von Toulouse glaubte ebenfalls, in der Fremde Sicherheit suchen zu müssen. Frederic Boiffier sah nach und nach den einen um den andern seiner Böglinge Scrwinden; es blieb ihm, um sein Hauswesen zu erhalten, um zu leben, nichts mehr übrig, als seine magere Besoldung als Organist. Zu seinen häuslichen Mißhelligkeiten gesellte sich man auch noch die bitterste Not, welcher doch um jeden Preis abgeholfen werden sollte. Der arm­e Künstler sah er oftmals genötigt, bei seinen Freunden auf­­­zupochen, um da Geld zu entlohnen, dessen er bedurfte und fand diese nicht immer bereit, ihm gerne zu helfen. Er kämpfte gegen die drohende Gefahr mit wilder Energie an, die Lage war entseglich, weiß man doch, wie traurig jenes Elend ist, welches unter dem Schein des Wohlstandes einherzuschleichen sich verdammt sieht. Frederic dachte oftmals an das Heiratsgut Emmelinens und an das Geld, welches sein Schwiegervater ihm schuldete. Eines Tages, sich mit Mut mwappnend, denn der Hunger läßt jede andere Rücsicht ü­berlegen, hatte er Madame de Nevilly aufgesucht, um wenigstens einen Teil jener Summe von ihr zurückzufordern, die sie ihm schuldete. — Wie? rief sie entrüstet. Jeßt kommst du und wirft Geld von mir! Wer hat es denn im gegenwärtigen Augenlih­t ? Niemand, wir schulden dir, ich weiß es, aber sei unbesorgt, später solst du alles erhalten. Warte bis die Berge wieder hergestellt ist, bis beisere Tage fo­mmen. Und Frederic hatte sich wieder entfernt; er wagte nicht, seiner Schwieger­­­mutter zu bekennen, in welch’ ent jeglicher Lage er sich befinde. Es gelang ihm, seine Sorge vor Emmeline zu verbergen; Madame Boiffier aber Hatte längst den Stand der Dinge erraten, nichts entging dem wachsamen Mutterauge. Um aber den Sohn nicht zu betrüben, b­at sie, als bemerke sie nichts. Im Dezember beabsichtigte Frederic ein Konzert zu geben, doch die Baronin Bernac, seine hohe Gönnerin, sowie die Mehrzahl seiner Freunde, befanden sich nicht in Tonloufe; was aber konnte er tum ohne ihre Beihilfe? Alles schien darauf hinzuweisen, daß er sam­t seine thatsächlichen Auslagen gedecht sehen wide. Alles schien sich gegen ihn verschtworen zu haben. Anfangs A August war Herr v. Nevilly in aller Eile nach Paris ab­­­gereist, erst im­ September, wenige Tage vor der Einschließung der Metropole, kehrte er nach Toulouse zurück. Wer ihn sah, fand, daß er im Laufe eines Monats um zehn Jahre gealtert sei; sein schwarzer Bart war mit Silberfäden gemengt, auf der Stirne zeigten sich schwere Falten, in seinem Wesen lag eine eigenümliche Unruhe — die Folge ernstester Sorgen. Offenbar hatte seine Reise nach Paris seine glücklichen Resultate erzielt, aber er vertraute die niemandem an, nicht einmal seiner Frau. Er war Herrn d. Nevilly das zugestoßen, was früher oder später jedem bevorsteht, der an der Börse spielt. Von dem raschen Hereinbrechen der Ereignisse überrascht, hatte er in wenigen Tagen all das verloren, was ihm von amvertrauten Skapitalien noch in Händen geblieben war. Revilly’s Ruin war vollständig; nebst zahlreichen Schulden, die er jebst kontrahiert hatte, blieb er auch noch der Schuldner all jener Personen, welche ihm Geldbeträge anvertraut hatten. Herr dr. Revilly hatte mit einem Worte alles verloren, selbst die Hoffnung, sich jemals wieder rangieren zu können. So lange das Unglück unwährte, das so schwer auf Frankreich hastete, verlangten seine Auftraggeber nicht die Interessen ihrer Kapitalien von ihm, die er ihnen sonst regelmäßig alle elf Monate auszuzahlen pflegte; man wußte ja, daß jeder Geschäftsgang unterbrochen sei. Im Monat Februar, in den ersten Tagen der Amnestie, welche einen nahen Frieden verkündete, wurde Emmeline eingeladen, der Hochzeit einer l——— Pensionsfreundin beizumahnen. Infolge der politischen Ereignisse war diese Festlichkeit um mehrere Monate hinausgeschoben worden. Er sollte die Vermählung in wenigen Tagen stattfinden. Emmeline hatte in eben Zeit, ihre Toilette zu ordnen und dies war natürlich eine gar wichtige Angelegenheit; sie wußte, daß sie dort mit den hervorragendsten Persönlichkeiten zusammentreffen würde, und sie wollte nicht weniger­ hübsch gekleidet sein wie diese. Sie hatte in ihren Kästen alles, was sie bedurfte, um sich zu schmieden die Toilette, welche sie des Tages bedurfte, und das Ballkost­m, welches sie abends anlegen wollte, waren durch ihre Näherin in zwei Tagen hergerichtet. Sie fand ein Paar Stiefel, welche sie erst einmal getragen hatte, und weiße Atlasshuhe, die noch ganz unbenugt waren; aber es mangelten ihr Handschuhe und sie bedurfte deren doch mindestens zwei Baare, ebenso unent­­­behrlich war ein neuer, ganz moderner Hut, denn sie konnte doch unmöglich zur Hochzeit der Freundin ihren alten tragen. Sie berechnete in ihrem Heinen Kopfe, daß sie mindestens fünfzig Francs bedürfe, "um die notwendigsten Auslagen zu bestreiten. Sie fand aber bei sorgfaner Prüfung ihrer Geldbörse, daß sie nicht mehr als einen einzigen Stancz im Vermögen besaß, doch, nachdem sie einen Augenblic mit betrübter Miene nachgesonnen, sprach sie laut: · —Nein,es geht nicht an­ders,ich muß unbedingt fü­nfzig Francs habeni Fredericnmß mir sie geben! Sie eilte zu ihrem Gatten und sprach: —Ich habe mir’s so eingeteilt,daß ich zu dieser Hoch­zeit nln endlich wenig ausgebe;ich hoffe,du wirst mir dankbar sein für meine Mäßigkeit. Aber du weißt so gut wie ich,was einer jungen Frau zukommt;ich habe Nachschau gehalten unter meinen anch schuhen,sie sind abscheulich,mein bester Hut ist nach der jetzigen Mode nicht mehr zu tragen.Ich habe gestern bei meiner Modistin einen sehr hübschen Hut gesehen,ich habe ihn versucht,er steht mir vortrefflich Frederic,du mußt mir fünfzig Francs geben,um mir einen Hut und Handschuhe zu kaufen. Er schwieg und betrachtete sie voll Trauer. —­Du willst doch,daß deine kleine Frau hübsch sei,nicht wahr? Er zog sie an sich und schloß sie in die Arme. Sie ließ es lächelnd geschehen. Große Thränen perlten langsam über seine Wangen nieder,während er sie zärtlich küßte,sie aber sah es nicht. ;

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